Lüdinghausen. Eltern und Großeltern haben mit ihren Sparbüchern noch ordentlich Zinsen eingestrichen. Zeiten, die schon lange vorbei sind. Inzwischen müssen Anleger aufpassen, dass sie mit dem Geld auf der Bank keinen Verlust machen. Verwahrentgelt, auch Negativ- oder Strafzins genannt, heißt das Stichwort – ein Thema, das vor einigen Jahren noch ausschließlich Großanleger anging, mittlerweile aber auch private Sparer betrifft.
Zunächst zum Begriff: „Wir sagen bei uns im Hause immer Verwahrentgelt“, informiert Marcus W. Leiendecker, Vorstandssprecher der Volksbank Südmünsterland-Mitte. „Weil es uns unter diesem
Namen in Rechnung gestellt wird. Es hört sich auch ein bisschen freundlicher an.“ Außerdem betont er: „Wir wollen uns an dieser Stelle nicht bereichern, sondern rechnen mit dem Zins, den wir selbst zahlen.“ Auslöser der historisch niedrigen Zinsen seien, so Robert Klein, Pressesprecher
der Sparkasse Westmünsterland, die weltweite Finanzkrise ab dem Jahr 2008 und die damit zusammenhängende Schuldenkrise im Euro-Raum. „Um vor allem verschuldeten Staaten der EU die Möglichkeit zu geben, ihre schwache Wirtschaft über günstige Kredite anzukurbeln, senkte die Europäische Zentralbank den Leitzins ab“, erklärt er. „Bald darauf begann sie, sukzessive auch den sogenannten Einlagensatz zu reduzieren, der 2008 noch plus 4,25 Prozent betragen hatte. Seit 2014 ist er negativ und beträgt aktuell minus 0,5 Prozent. Darüber hinaus kauft die EZB seit Jahren in erheblichen Mengen sichere und gut rentierliche Anleihen vom Markt. Auf diese Weise hat die Zentralbank auch den Marktzins inzwischen in einen negativen Bereich gedrückt.“
Die gute Nachricht ist: Es gibt Freibeträge – nicht bei allen Banken, aber zum Beispiel bei der Sparkasse. „Bei Großbeträgen treffen wir schon seit Längerem individuelle Vereinbarungen zu
Verwahrentgelten“, informiert Klein. „Bei neuen Kundenverbindungen gilt dies derzeit ab 50 000 Euro.“ Bei der Volksbank liegt die Grenze für institutionelle Anleger aktuell bei 250 000 Euro, für private Sparer gibt es unterschiedliche Regelungen. „Wir gehen mit Bestandskunden anders um als mit Neukunden“, erklärt Leiendecker. Bestandskunden haben einen Freibetrag von 100 000 Euro, während die Grenze für „neues Geld“ bei 25 000 Euro liegt. Letzteres betrifft sowohl Neukunden als auch Bestandskunden, die ein neues Konto eröffnen. „Es wird das ganze Volumen betrachtet“, informiert der Vorstandssprecher. Komme ein Kunde an die Grenze, werde im Gespräch nach Alternativen gesucht. „Die gibt es“, betont Leiendecker und nennt Aktien-, Renten- oder Immobilienfonds als Beispiele. „Konservativ bis spekulativ, wie der Kunde es möchte.“ Eine weitere Möglichkeit sei, in Sachwerte zu investieren. „Unsere klare Zielsetzung ist es, Verwahrentgelte für unsere Kunden zu vermeiden“, stimmt Klein ein. Ist der Negativzins nur eine vorübergehende Erscheinung? „Anfangs dachten wir das“, sagt Leiendecker. „Aber wir werden wohl längere Zeit damit leben müssen und sehen derzeit auch keine Kehrtwende kommen.“ Kunden hätten nach wie vor eine Ertragserwartung an ihre Bank, wobei der Vorstandssprecher festhält: „Der Zins auf das Sparprodukt ist tot und wir wissen nicht, wann er wiederbelebt wird. Aber zum Glück gibt es schöne, etablierte und sichere Alternativen für jeden Anlegertyp.“
Wertpapiere statt Sparbuch
Wie Banken und Anleger mit dem Negativzins umgehen
Westfälische Nachrichten 13.08.2021

Negativzinsen sind mittlerweile auch für private Sparer ein Thema. Marcus W. Leiendecker von der Volksbank Südmünsterland-Mitte (Bild l.) und Robert Klein von der Sparkasse Westmünsterland (Bild r.) erklären, was es damit auf sich hat. Foto: IMAGO/Sascha Steinach/Volksbank/Sparkasse